Sonntag, 9. Dezember 2012

Downton Girls

Das ZDF tut Gutes und spricht kaum darüber - Der Mainzer Sender mit der Spritzigkeit eines Rollators hat einen Einkauf getätigt, der bei Freunden des Historien-Porns für wahrhaft orgiastische Zustände sorgen dürfte: Der Adelspomp von Downton Abbey beehrt das Öffentlich Rechtliche Fernsehen. Doch wer nun den siechenden Dialogwitz von "Unser Charly" gekreuzt mit dem steifen Belehrungsgestus von "Die Manns" fürchtet, irrt. Downton Abbey mag zwar zuweilen ein wenig altbacken wirken, doch der britische Sender ITV weiß, wie man ein Fass aufmacht.

Klar ist das alles soapy und hemmungslos overthetop, aber besonders die erste Staffel scheut sich nicht, den britischen schwarzen Humor zu bedienen, den die Deutschen doch immer so toll finden. Alles dreht sich um das gleichnamige Gebäude und die darin residierende Adelsfamilie sowie deren Bedienstete, kurz nach dem Untergang der Titanic. Unglücklicherweise waren just an Bord dieses Luxusliners alle potentiellen Erben des großen Anwesens und so muss sich Patriach Lord Grantham auf die Suche nach dem Nächsten in der Erbfolge machen. Noch mehr Unbill droht hier: Ein Bürgerlicher ist es, dem der ganze Kasten mitsamt Valet und Küchenpersonal in die Hände fallen könnte. Um doch noch sein Töchter mit in die Waagschale zu werfen, wird der ältesten Tochter, Lady Mary, angeraten, sich dem äußerlich nun nicht unadretten Anwalt an den Hals zu schmeißen. Zunächst muss es jedoch noch einen unglücklichen Todesfall und ein schmutziges Geheimnis geben, das die Famillie zerstören könnte, ehe Mary erkennt, dass sie in ihrer Arroganz alle Karten verspielt hat. Das Drama nimmt seinen Lauf ...

Es braucht eine ordentlich Resistenz gegen Kitsch und überzeichnete Figuren, um Downton Abbey etwas abzugewinnen. Hier der aufrichtige Gentlemen, dort der bis zur Selbstaufgabe treue Dinner und natürlich die durchtriebenen Fieslinge, die blutdruckhochtreibend böse sind. Belohnt wird man dafür mit Eye-Candy der besonderen Sorte: ITV haben offentsichtlich keine Kosten gescheut, um das Drama möglichst aufwändig aussehen zu lassen. Die Kostüme, die Ausstattung: Alles besticht durch das, was man im englischen "lavish" nennt und eigentlich fast schon erotisch in Richtung Objektfetischismus geht.


Doch Downtown Abbey ist nicht nur Style over Substance: Es geht um mehr, als nur eine Familiengeschichte. Es geht um den Untergang des Adels, das aufstrebende Bürgertum, um alte Sitten und neue Moden, um den ewigen britischen Streit zwischen Konservatismus und Moderne, um Invididualität in einer verkrusteten Gesellschaft. Viele Themen werden nur angerissen, andere schwingen in jeder Episode mit. All das reicht jedoch aus, um Downton Abbey problemlos neben eine der besten Kostümserien der Briten, Jane Austens "Pride and Prejudice", zu stellen. Fans historischer Serien brauchen danach zumindest erst mal eine kalte Dusche.

P.S.: Unbedingt im Original anschauen. Ohne Stiff Upper Lip geht viel verloren.

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