Mittwoch, 28. November 2012

Bullseye!


Man wird sich bei Sky die Augen gerieben haben. War die Sicht wieder etwas klarer, wurde das vorliegende Konzeptpapier noch einmal überflogen, diesmal mit einem Kopfschütteln, einem Lachen oder gar einem leisen Stöhnen. Ein tiefer Seufzer über die ausufernde Kreativität von Autoren und was diese Kreativen sich heutzutage so alles einfallen lassen muss den Prozudentenlungen entwichen sein. Wie es das Konzept zu Hit & Miss letztendlich sogar bis zur Produktion und Ausstrahlung geschafft hat, dürfte das Geheimnis von Schöpfer Paul Abbott bleiben. Denn allein auf dem Papier liest sich das Ganze abstrus und überladen, man kann es selbst nicht glauben, dass sich dahinter einer der interessanten britischen Serien der letzten Jahre verbirgt.


Hauptfigur ist Mia, eine eiskalte Auftragskillerin, die ohne große Emotionen mit allerlei Werkzeug geschickt ihren Job erledigt. Skrupel sind ihr fremd. Doch die Attentäterin hat noch ein weiteres Geheimnis: Sie ist transsexuell. Geboren im Körper eines Mannes hat sie sich entschieden, als Frau zu leben. Von ihrem früheren Leben sind nur noch zwei Sachen übrig: Das Geschlechtsteil und ein kleiner Sohn, von dem sie erst beim Tod der Mutter erfährt. Sie fühlt sich verantwortlich, sucht den Kontakt – und findet ein Gruppe verwahloster, aber selbstständiger Jugendlicher, die eine eigene soziale Struktur bilden. Eine neue Bezugsperson hat es dort schwer, sich durchzusetzen … Hit & Miss ist ein postmodernes Powerhouse, sofern man noch an die Postmoderne glauben mag: Eine Bricolage aus Stilen und Genre, die jedoch zu einem intensiven Ganzen findet. 

Auf der einen Seite die nüchterne großbritannische Tristesse eines Ken Loachs, verfeinert mit etwas Mystery und amerikanischem Breaking-Bad-Feeling. Dazu einen Schuss Dexter und eine große Portion Genderdiskussion. Ein Batzen Themen und dennoch gibt es kaum Reibungsflächen. Das liegt zum einen an der poetischen, rauen Bildsprache, die ein fast schon postapokalyptisches Bild des heutigen Großbritannien zeichnet, aber auch an der faszinierenden Hauptdarstellerin Chloë Sevigny, die sich dem äußerst schweren Brocken behutsam nähert und mit einer nuancierten Mimik die Grauzonen zwischen Killerin und empfindsamer Selbstdefinition erforscht. So verschluckt sich Hit & Miss nie an seiner übergroßen Aufgabe und es gibt in diesem komplexen Drama viel zu entdecken, wenn man sich auf die komplett abwegige Prämisse einlassen kann. Erst wenn man sich fallen lässt, trifft die Serie voll ins Schwarze.