Samstag, 24. März 2012

Der Aufregener der Woche


Da regt sich also jemand auf. Über die Kostenlos-Kultur im Internet und die blöden Konsumenten, die alles gratis haben wollen und nicht an die verarmten Künstler denken. Diesmal jedoch kein Plattenboss in einem Flanellhemd, gestrickt aus feinster Musikerhaut, mit blitzendem Goldzahn. Nein, der selbsternannte Indie-Papst Sven Regener himself setzt an zur Hasstirade. Wer so sehr in seinem Dialekt rohrspatzig abgeht, der muss doch irgendwie Recht haben. Also wird fleißig auf Facebook verlinkt und alle finden das ganz gut, dass mal einer den blöden Kostenlos-Wollern die Meinung geigt. Nur: Sie ist falsch, wie schon oft und oft betont.

Zum einen stimmt die Korrelation nicht: Tatsächlich gibt es keine Kostenlos-Kultur, sondern eine Antest-Kultur. Es gibt in diesen Tagen und Zeiten zuviel Dreck, den man sich nicht ins Regal stellen will. Also lädt man runter, zieht sich das Album ein paar Rotationen lang rein oder schaut sich auf Youtube, wenn es denn der große Google-Konzern erlaubt (die GEMA ist nicht immer Schuld, da hat er wohl Recht) die Videos an. Entscheidungen dauern manchmal länger. Dennoch zeigen Studien: Runterlader sind auch Käufer

Wer sich die Entwicklungen anschaut, wird feststellen, dass besonders im Bereich Vinyl immer mehr verkauft wird. Musikhörer sind eben meist auch Sammler. Diverse Formationen haben dieses Potential erkannt und verkaufen zahlreiche Auflagen und limitierte Editionen: Da gibt es von Florence and the Machine aufwändig gestaltete 7“-Singles, die für einen stolzen Preis über die Ladentheke gehen – und offenbar äußerst populär sind, denn die Teile sind meist in Windeseile ausverkauft. Es würde zu weit gehen, zu behaupten, dass sich hier eine Investmentchance wie der Kunstzirkus oder der Oldtimermarkt aufbläht – aber die Preise, die für Raritäten gezahlt werden, sind schon erstaunlich. Ich schweife ab.

Die Musiker müssen nunmehr aktiv und vor allem kreativ werden: Vinyleditionen, Merchandise, spezielle Auflagen, exklusive Download-Songs, Crowdfunding alà Einstürzende Neubauten (die das schon gemacht haben, als es das Wort Crowdfunding noch gar nicht gab) – es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Geld zu machen und die meisten Musiker haben das bereits erkannt. Am Ende geht man einfach auf Tour, denn beliebte Formationen können problemlos ihre Hallen füllen und auch kleinere Bands, die sich einen ordentlichen Stamm an Fans aufgebaut haben, müssen nicht vor den üblichen zwei besoffenen Stammgästen spielen.

Zugegeben: Der Markt ist härter. Die fetten Jahre der CD-Einführung sind vorbei. Element of Crime und Herr Regener müssen sich eben etwas einfallen lassen – das Geld sprudelt nicht mehr einfach so. Aber niemand hat je behauptet, Musik müsse kostenlos sein und die Künstler sollen nicht entlohnt werden. Schon gar nicht die Piraten, wie man ganz leicht auf deren Wiki nachlesen kann. Aber ein informierter Kommentar bringt eben weniger Likes auf Facebook. Immerhin da versteht Herr Regener sein Handwerk und darf sich über Publicity freuen. Vollkommen kostenlos. Ist das Internet nicht herrlich?

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