Samstag, 4. Februar 2012

Das schlaucht

Der kernigste Dreitagebart der Videospielgeschichte
Der "interaktive Film" war eine gräßliche Idee in den 90ern, die still und heimlich in den letzten zehn Jahren realisiert wurde. Modern Warfare oder die Uncharted-Reihe sind gute Beispiele dafür: Cutscene über Cutscene, verbunden durch Schlauch-Level, die Freiheit suggerieren, den Spieler jedoch wie ein Vater den dirilierenden Sohn durch den Spielzeugladen bugsieren: Soviele schöne Dinge, soviele atemberaubende Kulissen und doch erhaschen wir nur einen Ausschnitt. Auch Uncharted 3 arbeitet mit einem Potemkinschen Dorf: Alles eine herrliche Kulisse. Stößt man jedoch gegen eine Wand, glaubt man dahinter die Umkleidekabinen für die zahlreichen Schurken zu sehen. Die müssen sich einen Anzug mit fünf anderen teilen - es gibt zu wenig Klamotten für die Horden an Gegnern.

Immer auf Distanz halten
Klettern, Ballern, Klettern: Die Dynamik ist vorhersehbar
Doch vielleicht ist das genau der Grund, warum die Uncharted-Reihe so wunderbar funktioniert. Nichts wird hier hyperrealistisch dargestellt und doch ist es die Liebe für Details, die einen oft innehalten lässt, um etwas  zu bestaunen oder näher zu betrachten. Ein Gemälde, ein schöner Bach, eine Statue. Auch die Figuren weisen diese Freude an der Detailarbeit auf: Der junge Nate stolpert und ist aufgedreht, er schaut sich ständig um, tascht alles mit seinen Händen an. Ein typischer Pubertierender, der bereits die Macken seines Erwachsenen-Ichs in sich trägt. Man merkt den Autoren an, dass sie ihre Charaktere lieben und sie möglichst lebensecht gestalten möchten. Unser Protagonist kommentiert konstant das Geschehen, ist am Schnaufen, Fluchen, Stöhnen. Das gibt die nötig Farbe, erschafft zwar Distanz zum Spieler, doch entsteht ein cineastisches Feeling: Man steuert seinen Helden durch einen vorgefertigen Plot und freut sich über die vielen Einfälle. Der Mangel an spielerischer Freiheit kann ein mehr an Konzentration bedeuten. Wer zudem ein Gamer-Publikum mit einem literarischen Schwergewicht wie D. H. Lawrence konfrontiert, kann sich beim abendlichen Whiskey-Schwenken beruhigt in den Ohrensessel sinken lassen in dem Wissen, man habe zur Kulturbildung der Jugend einen bescheidenen Beitrag geleistet.

Folge dem Licht
Kein schöner Land: Uncharted 3 macht Lust auf Reisen
Eindrucksvoll beweist Uncharted 3, dass es eben doch auch filmische Tugenden gibt, die für Games gelten: Die Lichtsetzung ist geschickt, subtil und ausgeklügelt. Hellere Stellen weisen den Weg, dazwischen wird mittels Chiaroscuro eine plastische und glaubhafte Welt dargestellt - der Begriff Rembrandt Lighting ist auch den Designern von Naughty Dog nicht fremd. Sicher, das alles ist von überschaubarer Dauer und bewirkt das schwindlige Gefühl einer in voller Lautstärke konsumierten Slayer-Platte: Sehr heftig, sehr laut, sehr kurz. Aber das stört den Eskapisten nicht, der sich noch einmal in dieser oder jenen Ecke umschaut, um noch den letzten Schatz zu entdecken oder sich das schöne Chateau anzuschauen - Form over Matter. Uncharted 3 empfiehlt sich somit als eine der schönsten Reisen für Game-Touristen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen